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BRICS — das Ende des Homo occidentalis?

2. April 2012

Arno Bamme (2011) beschreibt in seinem monumentalen Werk „Homo occidentalis“ die Bemächtigung der Welt durch die Wertegemeinschaft des Abendlandes — sie erfolgte in drei Zäsuren: Dem griechischen Mirakel, dem europäischen Mirakel und der Postmoderne. Möglicherweise muss nun eine weitere Zäsur hinzugefügt werden: Das Ende das Abendlandes!

„Den Anfang macht (…) meistens irgendein großes Trauma„, so Egon Friedell (1979) über den Beginn einer neuen kulturgeschichtlichen Ärea. Dies könnten Epidemien, Invasionen oder auch plötzliche wirtschaftliche Umwertungen sein.  Darauf folge „eine traumatische Neurose, die der eigentliche Brutherd des Neuen ist“: Die aktuellen Verhältnisse würden dadurch in einen chaotischen Zustand gebracht, Vorstellungsmassen würden mobilisiert. Schließlich verfestige sich ein neues Zeitalter.

Es scheint, als hätten wir kürzlich ein globales Trauma (die Finanz- und Wirtschaftskrise) durchlebt und als kämpften wir derzeit mit der Neurose: Kann die Idee von Europa weiterentwickelt werden, oder ist sie bereits gescheitert?

Möglicherweise findet die eigentliche Neukonzeption der Menschheit jedoch gerade woanders statt: Fünf Staaten, die 40 % der Weltbevölkerung stellen, rücken näher zusammen. Es ist der Versuch, eine multipolare Weltordnung zu etablieren. Gegründet 2009, trafen sich Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (BRICS) in dieser Woche in Neu Delhi zu ihrem vierten Gipfel. Sie einigten sich auf die Gründung einer eigenen Entwicklungsbank, die ein Gegengewicht zu internationalem Währungsfond und Weltbank werden soll. Handelserleichterungen sollen das Handelsvolumen bis 2015 verdoppeln. Außenpolitisch positionieren sie sich gegen Syrien und für die Friedensbemühungen der Arabischen Liga und des neuen UN-Sondergesandten Kofi Annan; der Iran habe ein Recht auf die friedliche Nutzung der Atomenergie.

Ökonomisch könnten die BRICS-Staaten die G7-Staaten bis 2027 überflügeln — aber können sie der Welt auch kultur- und gesellschaftspolitisch eine neue Richtung geben? Das wäre durchaus wünschenswert! Das Thema einer gemeinsamen Identität stand übrigens nicht auf der Tagesordnung.

2 Kommentare leave one →
  1. 7. April 2012 21:31

    „BRICS hat nur eine Chance, wenn sich China zurückhält“, meint Kanti Bajpai vom Institut für Verteidigungsstudien in Delhi. (Die Zeit, 14/ 2012)

  2. 3. April 2012 08:46

    Ich bezweifel, dass die BRICS-Staaten in näherer Zukunft kultur- und gesellschaftspolitisch eigene Standarts setzen werden. Es fehlt an diesem Interesse. China baut traditionell auf kulturellen Import. Russland kämpft mit dem wirtschaftlichen Niedergang und ebenfalls mit der Alterspyramide.
    Alleine bei Brasilien sehe ich diesbezüglich am meisten Potential.

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